[Text aus der Schulzeit]
Ich sitze bei offenem Zimmerfenster auf dem Bett. Die Decke aufgeschlagen, bereit zum Schlafen legen. Aber irgendetwas hält mich noch wach. Da ich das Fenster geöffnet habe, kann ich die vorbeifahrenden Züge hören.
Obwohl es schon spät ist, fahren sie permanent. Jede einzelne Bewegung, jeden Fortschritt und jedes Weiterkommen hört man lange, lange nachklingen. Sich wundernd, ob die Strecke so lang ist, aber wissend, es handelt sich nur um eine Kurve, die vorbei und direkt in einen Tunnel führt. Das Geräusch wird lauter: Ein weiterer Zug? Beinahe dröhnend nähert er sich dem Tunnel. Zwar sehe ich den Zug nicht, aber ich kann ihn deutlich hören. Noch immer will ich nicht schlafen gehen. Fix fertig, in den Pyjama gekleidet, bin ich ja schon! Was hält mich noch wach? Ich lausche dem nächsten Zug, tutend zieht auch er vorüber. Hat das ein Ende? Soll ich das Fenster schließen? Eigentlich ist die kühle, frische, einströmende Luft richtig angenehm – regt zum Denken an und zum Schreiben. Ich schließe meine Augen. Sehe den Kugelschreiber und weiß, warum ich wach bin. Etwas habe ich noch vergessen zu tun: Gott zu danken! Gott zu danken für diesen heutigen, herrlichen, angenehmen Tag. Auch wenn er wie die Züge vorbeizieht, es kommen immer neue und andere Tage (und Züge). Auch wenn das Leben oft im Dunkeln verläuft, mein Weg führt vorwärts – hinaus aus dem Tunnel, zum Licht. Das Licht Gottes ist da! Immer. Immer und ewig! Bevor ich mein Buch, in das ich schreibe, schließe, stelle ich mir für den nächsten Tag eine Aufgabe, die es zu lösen gilt: Warum nimmt der Mensch Gott, der ewig ist, oft nicht an? Vielleicht weil er weiß, dass er ewig ist und er auf ihn wartet?! Dieses Rätsel kann wohl nicht mit einem Zug gelöst werden...
Copyright: Verena Grafinger (Schnitzhofer), 22. 6. 2001